Engagement für Menschlichkeit

Interview mit Jugendlichen der Gruppe "Harmonie der Menschlichkeit"

Im Jahr 2024 wurde im Rahmen des Projektes: „Weißt du, wer ich bin?“ die arabische Gruppe „Harmonie der Menschlichkeit“ in Chemnitz gefördert, die Teil der Brückenbauer Chemnitz e.V. sind. 

Wer sind die Brückenbauer in Chemnitz und wie kam es zu der Projektidee zum Aufbau der arabischen Gruppe „Harmonie der Menschlichkeit“? Wer hatte die Idee und warum? 

Die „Brückenbauer Chemnitz e. V.“ sind eine 2014 gegründete christliche Arbeitsgruppe zur Flüchtlingsarbeit. Viermal wöchentlich ist ein ehemaliges Ladenlokal offen zum Deutsch lernen und zur Beantwortung diverser Fragen, für Kontakte zu Gemeinden. Hier sind Ehrenamtliche ansprechbar. Dazu bringen sich die Vereinsmitglieder und andere Aktive in die verschiedenen Aktionen der Stadt ein. Schon als vor zehn Jahren viele Flüchtlinge kamen und das Stadtbild sich veränderte, fiel uns auf, dass wir etwas für die Begegnung zwischen älteren jüdischen Migrant*innen und jungen Flüchtlingen tun sollten, die ja vorwiegend aus traditionell israelfeindlichen Ländern kamen. Wir konnten mit der jüdischen Gemeinde ein erfolgreiches, durch „Weißt du, wer ich bin?“ gefördertes Projekt „Kinder eines Vaters“ starten, an dem schwerpunktmäßig Menschen aus dem Iran teilnahmen. 
Nach dem 7. Oktober 2023 war auf einmal der arabische Antisemitismus Thema. Unserem Vereinsmitglied Adib Jaafari, der vor Assad geflüchtet war, liegt das harmonische Zusammenleben der Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen in Chemnitz am Herzen. Er kam erst später nach Chemnitz und hatte daher die erste Projektstaffel nicht miterlebt, aber wir entwickelten gemeinsam die Idee einer Arbeit mit arabischen Menschen mit diesem Ziel. 


Wie haben Sie es geschafft, die verschiedenen religiösen Menschen ihrer Stadtgesellschaft zusammenzubringen? 

Ehrlich, es ist für die jüdische Gemeinde nicht leicht, als Projektpartnerin mitzumachen. Hilfreich war unsere gemeinsame Erfahrung und überhaupt viel Kontakt in der Stadt auf unterschiedlichen Ebenen, etwa durch die Migrationsbeauftragte Etelka Kobuß und die „AG Religionen“, durch die Tage der jüdischen Kultur und durch unser breites christliches Netzwerk. Und last but not least waren  die arabischen Partner mit ihrem Zugang zu den Communities sehr wichtig.

Sie berichteten, dass vor allem muslimische und jüdische Menschen, unter anderem Besucher*innen der israelischen Partnerstadt in den Austausch kamen. Wie hat dieser Austausch dazu beigetragen einander besser zu verstehen und die unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen und sich gegenseitig zu respektieren? 

Das wichtigste war, überhaupt Termine wahrzunehmen, zu denen die Schwelle normalerweise hoch ist. Als wir eine Begegnung zwischen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und arabischen Menschen organisiert hatten, erfuhren wir, dass an dem gleichen Tag Gäste es aus der israelischen Partnerstadt Kirjat Bialik im Rathaus waren, um eine Ausstellung mit Bildern aus Schulklassen über ihre Städte zu eröffnen, und abends der Chor der jüdischen Gemeinde in der Kirche neben dem Rathaus ein Benefizkonzert für Schutzräume gegen Raketeneinschläge in der Partnerstadt gab. So haben wir alle drei Termine in unseren Plan genommen, das wurde als Unterstützung und Wertschätzung gesehen. Als Flüchtlingshilfe haben wir Kontakt zu Menschen aus der Ukraine, zu denen wiederum unsere aus der Ukraine stammende jüdische Projektpartnerin Maria Lyamets den direkten Draht hat. Sich nicht aus dem Weg zu gehen angesichts des Konflikts im Heiligen Land, sondern eine Beziehung aufzubauen, ist das Wichtigste. 

 

Sie haben auch insbesondere in Schulen gewirkt, was hat das Projekt in der Schüler- und Lehrerschaft bewirkt? 

Im Projekt aktiv war der Syrer Abdul Razzak, der als Dozent im Studienkolleg arbeitet, also für ausländische Studierende, denen noch Prüfungen für die Zulassung fehlen. Er wirkte in seine Kurse hinein. Zum Beispiel wurde Justin Sonder, ein Auschwitzüberlebender, am 9. November mit einem Denkmal geehrt, mit etwa 300 Gästen ein prominent besetztes Event. Abdul Razzak nahm dazu einige seiner Studierenden mit. Im Anschluss sahen wir auch die Anne-Frank-Ausstellung, die in der Jugendkirche organisiert war. Zu unserer Hauptveranstaltung, bei der Vertreter*innen vier islamischer Gemeinden in Chemnitz sprachen, kamen auf unsere Einladung hin, das Landesamt für Schule und verschiedene deutsche und arabische Lehrkräfte, die eine sehr positive Resonanz gaben. 

Wie wichtig war die Unterstützung des Vorhabens durch „Weißt du, wer ich bin?“  Was hätte ohne die Projektunterstützung nicht erreicht werden können? 

Da die Aktiven der Geflüchtete im üblichen Existenzkampf sind, war die finanzielle Unterstützung unabdingbar. Auch die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind ja Migranten. Wer Zeit für das Engagement hat und sie einsetzt, sollte eine Aufwandsentschädigung bekommen. Auch Lebensmittel zu bezahlen oder eine kurdische Band für ein von mehreren hundert Leuten besuchtes Festival „Schalom Habibi“ wäre ohne Förderung nicht möglich gewesen. Nicht zuletzt lebt unser Verein als organisatorische Basis fast ausschließlich von Spenden.

Was haben die Brückenbauer als nächstes vor? 

Der gelungene Aufbau dieser Gruppe soll vertieft werden, das wünschen wir uns. Die neuen Beziehungen wollen wir weiter pflegen und tiefer ins Gespräch miteinander kommen. 

Weiterhin viel Erfolg und schöne Momente der Begegnung!

 

Die Fragen stellte Dagmar Gendera, Projektkoordinatorin des bundesweiten Projektes „Weißt du, wer ich bin?“ in der Ökumenischen Centrale der ACK. 

Jörn Thießen, Leiter der Abteilung Heimat, Zusammenhalt und Demokratie des BMI, würdigt das interreligiöse Großprojekt „Weißt du, wer ich bin?“

Zum Auftakt des Bundeskongresses der Räte der Religionen in Dresden hebt Jörn Thießen, Leiter der Abteilung Heimat, Zusammenhalt und Demokratie des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI), die herausragende Bedeutung des interreligiösen Großprojektes „Weißt du, wer ich bin?“ für den interreligiösen Dialog in der Bundesrepublik Deutschland hervor. Durch die bundesweite Förderung verschiedener interreligiöser Dialogformate vor Ort, die sich durch eine große Vielfalt auszeichnen und immer wieder neue Begegnungen ermöglichen, ist „Weißt du, wer ich bin?“ einzigartig.

Bewährte Dialoginitiativen, die sich stetig thematisch weiterentwickeln und ihre Arbeit an die Herausforderungen der Gesellschaft anpassen, werden von „Weißt du, wer ich bin?“ genauso unterstützt wie neu etablierte, kleine Dialogformate. Auch das interreligiöse Musikfestfestival „Faiths in Tune“, das vergangenen Sonntag im und um das Haus der Kreuzkirche in Dresden stattfand, hat sich erfolgreich für eine Förderung beworben. Anliegen der interreligiösen Initiative „Faiths in Tune“ ist es, den Austausch und einen respektvollen Umgang zwischen Menschen verschiedener Religionszugehörigkeiten zu stärken. Durch Workshops, Aufführungen und kleine Konzerte wird religiöse und kulturelle Vielfalt in Dresden sichtbar und erlebbar.

Neben dem Dresdner Festival wurde dieses Jahr mithilfe der Fördergelder von „Weißt du, wer ich bin?“ beispielsweise eine Tagung zum Thema Umweltschutz aus Perspektive der Religionen in Stuttgart, eine Unterrichtseinheit rund um religiöse Vielfalt an einer Nürnberger Grundschule und erste Begegnungen zwischen der jüdischen Gemeinde und muslimischen Gemeinschaften in Chemnitz ins Leben gerufen und durchgeführt. Gelder, die direkt in der Gesellschaft wirken und ein friedvolles gesellschaftliches Miteinander wahren, so Thießen:

 

„Das Projekt „Weißt du, wer ich bin?“ leistet durch die Förderung vielfältiger interreligiöser Initiativen vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Wahrung des friedlichen Zusammenlebens in der Bundesrepublik.“

 

Des Weiteren dankt Thießen allen Engagierten, die sich klar gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und für ein friedliches Zusammenleben von Juden, Christen, Muslimen und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften in unserer Gesellschaft einsetzen. Diese Haltung und das Engagement im interreligiösen Dialog seien von ganz entscheidender Bedeutung zur Förderung des täglichen Zusammenlebens und des friedvollen Miteinanders. 

Auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V., der Zentralrat der Juden und der Koordinationsrat der Muslime, die Trägerorganisationen von „Weißt du, wer ich bin?“, betonen vor dem Hintergrund der Zunahme antisemitischer und muslimfeindlicher Übergriffe in Deutschland die Bedeutung ihres langjährigen gemeinsamen Engagements. Sie ermutigen die Gesellschaft ausdrücklich dazu, in den Gemeinden und lokalen Kontexten interreligiöse Begegnung zu suchen und weiter zu stärken.

Das bundesweite interreligiöse Erfolgsprojekt „Weißt du, wer ich bin?“ startete Anfang des letzten Jahres mit der Förderung der ersten lokalen Initiativen in seine fünfte Projektphase. Das Projekt wird vom Bundesministerium des Innern und für Heimat aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Förderung liegen die Ziele der Deutschen Islam Konferenz zu Grunde. Anliegen des Vorhabens ist es, den interreligiösen Dialog in Deutschland nachhaltig zu festigen und weiter auszubauen. Rund 40 Einzelprojekte haben sich seit Beginn der aktuellen Förderperiode erfolgreich beworben.

Für das Projektjahr 2024 können weiterhin Anträge zur Förderung interreligiöser Dialogarbeit gestellt werden. Initiativen, die Projekte planen, die den aktuellen thematischen Förderschwerpunkt der Projektphase 2023-2025 umsetzen, werden besonders ermutigt, einen Antrag zu stellen. In dieser Phase wird insbesondere die Prävention von Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus sowie Religionsfeindlichkeit in den Blick genommen. 

Der Einsendeschluss für das Jahr 2024 endet am 01. November. 

Anträge für geplante Projekte müssen mindestens vier Wochen vor geplantem Beginn eingereicht werden. Das Antragsformular, alle Informationen zum Bewerbungsprozess und weitere Fakten rund um das Projekt ,,Weißt du, wer ich bin?‘‘ sind auf der Projekthomepage www.weisstduwerichbin.de zu finden. 

 

Hinweis für Redaktionen

Ansprechpartnerin für Rückfragen ist:

Anna Rose

Projektkoordinatorin „Weißt Du, wer ich bin?“

Tel.: 069/247027-20, anna.rose@weisstduwerichbin.de

c/o Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland

Ökumenische Centrale

Ludolfusstraße 2-4

60487 Frankfurt